Donnerstag, 26. Juli 2012

Von Raddieben, Motivationslöchern und Solofahrten: Die Salzkammergut-Trophy 2012.

"Mein Bike ist weg". JB sagt das ganz ruhig. So ruhig, dass ich es zuerst gar nicht realisiere. Eine Millisekunde später ist der Schock umso größer. Das Bike ist nicht irgendein Bike und wir befinden uns auch nicht irgendwo, wo man den Schaden wenigstens halbwegs kompensieren könnte. Wir stehen auf einem Parkplatz in Bad Goisern, es ist kurz vor 05:00 Uhr und damit ist der Start zur A-Strecke der Salzkammergut-Trophy nur noch Minuten entfernt. Für JB damit traurige Gewissheit - ein Jahr Vorbereitung umsonst, die Trophy wird ohne ihn stattfinden. Ich dagegen habe zwar mein Bike noch, meine Motivation aber ist ebenfalls futsch. Dennoch rolle ich in den Startblock, um mich herum ist die Stimmung trotz Uhrzeit und der schaurigen Wetterprognose ausgelassen. Bei mir selbst sieht es anders aus, noch niedergeschlagener ist verständlicherweise JB, der mich trotzdem mit Swantje zum Start begleitet hat. Für mich eine große Geste - ich selbst wäre vermutlich in gleicher Situation immer noch rumpelstilzchend durch Bad Goisern getobt. Ein letzter Händedruck von JB, ein Küsschen von Swantje und dann fällt auch schon der Startschuss.



Ich versuche die trüben Gedanken abzuschütteln, und mich auf das. was kommt, vorzubereiten: 211 Kilometer mit über 7000 Höhenmetern. Doch trotz der langen Distanz - um mich rum geben einige Gas, als sei das Rennen schon am nächsten Berg entschieden. Bloß nicht anstecken lassen also. Ruhig und immer knapp unter EB-Puls meistere ich den Rehkogel und den Raschberg, eine kurze Abfahrt und schon geht es wieder rauf Richtung Hütteneck-Alm. Vor ein paar Tagen saß ich da noch mit Swantje beim Kaiserschmarrn – keine Zeit dafür heute, denn mittlerweile habe ich endlich eine gut funktionierende Gruppe rund um Andreas Goldberger gefunden, die ich auf keinen Fall verlieren möchte. Gemeinsam rauschen wir an der Hütte vorbei, donnern zum ersten Mal durch die ewige Wand ohne Zeit, die Aussicht zu genießen und kommen nach Weißenbach wo Swantje eine Verpflegungsstelle für mich eingerichtet hat. Zu meiner Überraschung steht da auch JB. Was ich dann höre, haut mich fast vom Rad: "Das Bike ist wieder da." Wie das? Doch statt einer Antwort bekomme ich eine Trinkflasche in die Hand gedrückt und schon hetze ich der Gruppe hinterher. Wieder rauf zum Rehkogel, die Gruppe läuft nach wie vor gut und auch das Wetter spielt noch mit: wolkig, aber noch keine Spur vom angekündigten Dauerregen. Rauf, runter, rauf, dann wieder runter. Über eine ruppige Skipiste, grobgeröllig, ein paar aus der Gruppe verlieren den Anschluss und wir sind ab sofort nur noch zu viert unterwegs. Wir passieren die Blaa-Alm, dann plötzlich: PFFFFFT. Platten.



Im Vorderrad steckt ein ziemlich großer Holzsplitter, Latexmilch fließt aus dem Reifen. Ich reduziere das Tempo und warte darauf, das die Scheiß-Milch endlich dichtet. Doch nichts passiert. Also runter vom Rad, Splitter abbrechen, Finger auf die Wunde, dicht. Nachpumpen, aufspringen, der Gruppe hinterher. Doch ein paar Radumdrehungen später reißt der Reifen wieder auf. Die Dichtmilch dichtet nicht. Runter. Rad ausbauen, Mist, ich bekomme den Reifen nicht von der Felge, Reifenheber ansetzen, Hebeln, Zerren, Ziehen, endlich ist er unten. Schlauch rein, Reifen wieder drauf, Aufpumpen. Das dauert und dauert. Mittlerweile ist nicht nur die Gruppe weg, sondern sicher auch 5o weitere Fahrer an mir vorbei. Nichts wie hinterher. Schnell hole ich die meisten derer, die mich eben fluchend am Rand der Strecke sahen wieder ein, doch keiner kann oder will trotz aller Animationsversuche mein Tempo halten, um mit mir eine neue Gruppe zu bilden und gemeinsam zur Aufholjagd zu blasen. Der zweite Aufstieg zur Hütteneck-Alm wird so zu einem ziemlich einsamen Unterfangen, dann endlich laufe ich auf ein paar schnelle B-Streckler auf und kann mich kurz bis zur Alm anhängen. Steil bergab, rechts, links, Schiebepassage durch mittlerweile mehr als knöcheltiefen Schlamm, aufspringen, rein in den Trail zur ewigen Wand. Hier wird geschoben und das Überholen wird zur Geduldsprobe. Ewige Wand, endlich wieder freie Fahrt, Schotter, Trail, Straße, Weißenbach. Swantje und JB. Flaschen auffüllen, Riegel essen. Außerdem die Hintergrundinfos zur wichtigsten und unglaublichsten Nachricht des Tages: das Rad von JB wurde von der Polizei sichergestellt - zusammen mit weiteren gestohlenen Bikes, auch der Täter ist gestellt. Mit einem dicken Danke an die österreichische Polizei gehe ich wieder auf die Strecke. Hoch zur Chorinsky-Klause. Den Weg kenne ich, hier habe ich mich gestern mit JB warm gefahren. Noch mal verfluche ich beim Gedanken daran laut das Arschloch, das nicht nur JB den Tag versaut hat, und nehme den Anstieg in Angriff. Alleine, geeignete Mitstreiter sind keine in Sicht. Dafür setzt der versprochene Regen ein, zuerst nur ein paar Tröpfchen, doch schon Minuten später fällt er dicht. Dazu bläst starker Wind – natürlich – von vorn. Wütend trete ich mit aller Kraft dagegen an, doch es geht trotzdem nur langsam voran. Endlich der Abzweig zur Klause, dann weiter zum Hochmuth. Der Regen peitscht mir ins Gesicht, dann tauche ich endlich in den Trail zurück nach Weißenbach ein. Die ersten Meter sind noch fahrbar, dann heißt es Laufen. Im Sprint über Stock und Stein, das Bike hüpft neben mir her, das Pedal hackt mir alle 5 Meter in die Wade, mehr als einmal versucht mir eine der rutschigen Wurzeln ein Bein zu stellen und mich auszuhebeln. Aua. Dann bin ich unten, Weißenbach zum Dritten. Parken bei Swantje und JB. Ich esse was, trinke was, es regnet, das Bike ist verschlammt, ich bin klitschnass, eine gute Zeit ist eh nicht mehr drin, Gedanken ans Aufgeben machen sich breit. Ich überlege hin und her, kämpfe mit mir selbst, nach unendlich langen Minuten dann entscheide ich mich: es geht weiter, wenigstens durchkommen und finishen. Ich verabschiede mich und ab geht's in die lange Flachpassage Richtung Salzberg. Und natürlich: ohne Gruppe aber mit ordentlich Gegenwind. Ich passiere Bad Goisern, denke noch ein weiteres Mal darüber nach, ins Hotel abzubiegen, schon bin ich am Hallstädter See und am Strandbad Obertraun. Im letzten Jahr war es hier noch voll mit Badegästen, heute bin ich abgesehen von ein paar Streckenposten alleine hier. Abzweig Salzberg, ich schieße einen Activator ein und beginne den langen Anstieg nach oben. In jeder Kehre treffe ich auf Liegengebliebene, die meisten sind auf der B-Strecke unterwegs, viele geben auf - zu stark der Regen, zu stark die Erschöpfung. Ich kämpfe mich weiter nach oben, erreiche die Seilbahnstation, den Grashang. Vom Gras ist nichts mehr zu sehen - knietiefer Schlamm erwartet mich. Schieben die logische Konsequenz, dann die steile Asphaltrampe, die ich im letzten Jahr noch fahrend bewältigen konnte. In diesem Jahr: weiter schieben, an Fahren ist nicht zu denken. Am Gipfel setzt der Regen für Sekunden aus, um sofort noch stärker als zuvor wieder einzusetzen. Dazu wird es saukalt, den Tee an der nächsten Verpflegung kann ich gut gebrauchen. Und wieder bergauf, wieder steil zur Roßalm. Weitere Mitkämpfer, die aufgeben, erschlagen von den Kilometern, den Höhenmetern, den Streckenbedingungen und dem Wetter. Rasende Abfahrt zum Gosausee, ich freue mich, das ich eine Regenjacke anhabe. Am See kein Mensch, sehnsüchtig denke ich ans letzte Jahr, als Swantje uns hier noch mal überrascht hat, schon gehe ich in den letzten echten Berg des Tages. Noch mal 500 Höhenmeter, ich ackere, aber wie schon auf den letzten knapp 50 Kilometern: Gegenwind, trotz vollem Einsatz bleibt das Tempo eher mau. Kaum oben bin ich schon wieder unten. Ein rumpliger, ausgewaschener Karrenweg, 2 kleine Gegensteigungen, Ortsschild Bad Goisern, Kirche, Zielsprint, 14:06. Und das mit über 40 Minuten Standzeit und weitestgehend im Alleingang. Dennoch: Kurz ärgere ich mich, zumindest die 13 vorne verpasst zu haben, dann aber überwiegt schnell die Freude und auch der Stolz, es unter diesen Bedingungen ins Ziel geschafft zu haben. Dazu passt auch das Ergebnis - mit Platz 34 habe ich mich in diesem starken, internationalen Feld weit vorne eingereiht. Was bleibt? Swantje und JB, die mich im Ziel begrüßen, eine Rotwurst, höllische Kreuzschmerzen, ein Finisher-Shirt, das Essen beim Italiener, eine wahnsinnige Kriminalgeschichte rund um den Räderklau, die ich nun endlich in Gänze verfolgen kann und eine Nacht, in der ich ziemlich fest schlafe.

Samstag, 21. Juli 2012

Frankfurt statt Euro-Bike: Trek geht neue Wege

War bisher die Euro-Bike in Friedrichshafen der Ort, an dem es für alle Marken galt, Händler zu treffen und neue Modelle vorzustellen, geht Trek 2012 erstmals einen anderen Weg: Statt am Bodensee schlägt die Trek World ihre Zelte zum ersten mal in Frankfurt am Main auf. Eine komplette Halle gefüllt mit allem aus der breiten Trek-Produktpalette. Rennräder, Mountainbikes in 26 und 29", Stadtflitzer, dazu die Anbauteile von Bontrager - zu sehen gab es vieles, was das Herz von Radsportfans höher schlagen lässt. Aber Konkurrenz zur Eurobike? Für mich nicht. Zu nüchtern die Präsentation, steril, irgendwie leblos. Wie ein Katalog zum Anfassen. Von wirklicher Begeisterung fürs Rad kam wenig bis nichts rüber, selbst die ausgestellten Pro-Bikes konnten daran nichts ändern. Dennoch gab es Sehenswertes - zum Beispiel das neue Superflyl in 29" mit unter 10 kg. Was sonst noch auffiel: 29er für Kleine sehen nach wie vor merkwürdig aus und die Bikewelt wird nach und nach immer bunter, es gab viele schöne Farben zu sehen:

Montag, 16. Juli 2012

Survivor: Salzkammergut-Trophy 2012 gefinished.

Aufstehen um 3:30 Uhr, Bikediebstahl bei Mitfahrer JB entdeckt, erzwungener Solo-Start im Morgengrauen, Bike wieder da, dafür Flasche weg, Platten und auch die gute Gruppe weg, 3 x Swantje und JB in Weissenbach, Gegenwind, Regen, Kälte, 3 Gels, 4 Riegel, unzählige Stück Kuchen, 7000 Höhenmeter, 215 Kilometer, überlebt und angekommen: als 34 der Altersklasse auf der Extrem-Strecke der Salzkammergut-Trophy 2012. Bericht und Bilder wenn ich wieder fit bin.

Dienstag, 10. Juli 2012

Saisonhöhepunkt straight ahead: Salzkammergut-Trophy die zweite.

Gerade zurück von der letzten Trainingseinheit, im Radio läuft mit FM4 schon ein österreichischer Sender – die Salzkammergut-Trophy 2012 kann kommen. Auch wenn mir natürlich immer noch etwas mulmig ist beim Gedanken an 200 Kilometer und über 7000 Höhenmeter, aber immerhin weiß ich aus dem letzten Jahr ( Salzkammergut-Trophy 2011 ): es ist packbar. Wie es ausgegangen ist - demnächst hier.

Montag, 9. Juli 2012

Erbeskopfmarathon 2012: Kissenschlacht statt Schlammschacht.



Kein Kunstwerk in grau, sondern das ganz normale Wochenendwetter im Sommer 2012: Regen. Und so gerne ich beim Erbeskopfmarathon gestartet wäre, um meinen Stockerl-Platz aus 2011 zu wiederholen - bei nur 14 °C und Dauerregen macht es erstens keinen Spaß und zweitens auch keinen Sinn - jedenfalls dann nicht, wenn der Saisonhöhepunkt nur ein paar Tage entfernt ist. Und so entschied ich mich schweren Herzens dafür, wieder ins Bett zu kriechen, statt nach Thalfang aufzubrechen. das Ersatzprogramm: Zuschauer beim Ironman Frankfurt. Auch mal schön, als Zuschauer am Rand zu stehen, wenn sich andere quälen.

Donnerstag, 5. Juli 2012

Auf großen Rädern: Das Epic S-Works 29

"Ein 29er? Braucht kein Mensch." "Carbon-Laufräder? Niemals." Habe ich das tatsächlich gesagt? Ich fürchte schon. Und jetzt habe ich das Dilemma, erklären zu müssen, warum es nun doch so weit ist: ich rolle jetzt ebenfalls auf großen Reifen durch die Wälder und über die Trails. Doch immerhin fällt es mir leicht, die Begründung zu liefern: das 29er Epic ist einfach kein 29er. Ich sitze auf dem Bike wie auf dem 26er, das Handling ist ähnlich agil und dank der leichten und viel steiferen Kohlefaser-Laufräder ist es fast so spritzig wie mein 26er. Das es doch ein 29er ist, merke ich dann bergab und auf der Ebene, denn es rollt einfach mödermäßig und ist hier deutlich schneller als das Kleine. Dazu bügelt es echt ruppige Trails viel glatter und ist dadurch auch hier deutlich schneller – wenn man sich erst mal angewöhnt hat, über Hindernisse einfach drüberzubügeln, über die man vorher eher vorsichtig drum herum gezirkelt ist. Schwächen aber gibt es auch: enge, verwinkelte Trails machen mir auf dem 26er immer noch mehr Spaß und wenn es steil bergauf geht, merkt man den Gewichtsnachteil von knapp 600 Gramm schon - hier ist es langsamer. Aber ich bin guter Dinge in der nächsten Ausbaustufe ein paar Gramm gut machen zu können.