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Mittwoch, 15. April 2015

Paris-Roubaix: Von der Hölle des Nordens direkt ins Paradies.

Freitag, kurz vor 22.00, irgendwo in Belgien. Wir sitzen an der ödesten Autobahnraststätte, die ich je gesehen habe und versuchen verzweifelt, die komische Musik, die aus den Lautsprechern dröhnt, zu überhören. Die Hölle des Nordens, hier bekommt sie das erste Gesicht. Kurz später fahren wir in Lille ein, treffen den Rest der Guilty-Gang. Die Jungs sind schon länger hier, haben auch schon die ersten Pavés unter die Reifen genommen und was sie erzählen, lässt mich schlucken. Nehme dann doch ganz schnell das angebotene Bier, muss die aufkeimende Angst vor der Strecke runterspülen. 0,33 Liter später liege ich im Bett, es ist weich, unbequem, von draußen schimmert orangefarbenes Licht durch die Vorhänge. Dazu ziehen immer wieder die Bilder vorbei von schlamm- und staubbedeckten Radsporthelden, schweren Stürzen, zerbrochenen Rahmen und Knochen, zum Schlafen komme ich kaum. Entsprechend früh bin ich wach und entsprechend früh realisiere ich, dass die verdammte Wettervorhersage ausnahmsweise mal passt. Es regnet, die Straße glänzt feucht und wie das Kopfsteinpflaster aussieht, mag ich mir im Moment gar nicht vorstellen. Ich könnte ein Bier vertragen, aber es gibt nur einen Joghurt mit Banane, ein Brötchen und einen schnellen Kaffee aus der Kapselmaschine. Auch die anderen sind mittlerweile wach, das große Pow-wow bringt eine spontane Planänderung. Verworfen wird die 140-Kilometer-Runde, der Blick auf die Karte zeigt eine angesichts des Wetters attraktive Abkürzung, die gute 40 Kilometer und vor allem einige Pavés spart. Aber zuerst gilt es den Weg von Lille nach Roubaix zu finden, langsam wird die Zeit bis zum letzten möglichen offiziellen Starttermin knapp. Kreuz- und quer kurven wir durch triste Wohngebiete, erste Schlammdusche auf einem Feldweg und dann unter dem Protest einiger Autofahrer ab auf die Autobahn, Fotos und Espresso bei Rapha, vergebliches Warten auf weitere zwei vermisste Guiltys und mit knapp einer halben Stunde-Verspätung geht’s dann doch los – für Rock & Roll-Verhältnisse also überpünktlich. Dazu hat es aufgehört zu regnen, ab und an blitzt sogar die Sonne durch die Wolkendecke, die Lust aufs Radfahren ist zurück. Entspannt cruisen wir über schmale Straßen bis zur ersten Streckenteilung, hier wollen wir abkürzen. Kurze Abstimmung und plötzlich finde ich mich doch auf der geplanten Runde wieder – Max und Sebastian, die Sonne und die mittlerweile weitgehend trockene Straße haben mich umgestimmt. Mehr Kilometer, mehr Pavés und vor allem auch: nur noch zu dritt, statt zu neunt gegen den immer stärkeren Wind ankämpfen. Heisa. Zügig passieren wir die erste Verpflegung, schon geschlossen, rechts, links, kurze Orientierungsschwierigkeiten, noch mal rechts, dann werden die Beine plötzlich weich. Das erste Pavé steht an, gleich 5-Sterne, gleich der Wald von Arenberg. Das Pflaster glänzt feucht, dazwischen schimmert grünes Moos. Meine beiden Begleiter knallen ordentlich rein, ich versuche dran zu bleiben und dabei doch so vorsichtig wie möglich zu fahren, keine gute Kombi. Kopf ausschalten und treten wäre besser aber dazu geht mir viel zu sehr die Düse, ablegen will ich mich auf keinen Fall. Noch besser wäre es, wenn die Kette oben bliebe, aber dummerweise habe ich aufs kleine Blatt geschaltet und nun ist sie unten. Anhalten, und von Null losrumpeln, gar nicht gut. Mehr schlecht als recht hopple ich zum Ausgang des Pavés und frage mich im Sekundentakt, warum man sich und seinem Material so was freiwillig antut. Immerhin muss ich nicht mein eigenes Rad quälen, Votec hat uns extra für diesen Event Bikes zur Verfügung gestellt und zumindest bis hierhin hat es sich schon mal bewährt, genauso wie die Easton-Laufräder mit 27er Reifen von Vittoria, die das Gerumpel wenigstens ein bisschen dämpfen. Auch gedämpft: meine Vorfreude auf die nächsten Pflasterpassagen, Hammerschlag folgt jetzt auf Hammerschlag, Wallers à Hélesmes, Hornaig à Wandignies, Brillon, Auchy à Bersée, Mons-en-Pévèle – wir werden gerüttelt und geschüttelt, ab und zu klopft die Felge blechern von unten, aber von Pavé zu Pavé läuft es besser, wir werden schneller und schneller und rollen dabei das Feld von hinten auf. Kein Problem auf den Asphaltstücken, auf dem Pflaster nicht ganz so schön, denn die Ideallinie ist schon nach dem dritten oder vierten gefahrenen Abschnitt meist blockiert, im Zick-Zack wühlen wir uns durch die Massen. Ab und an verabschiedet sich zwar auch mal einer freiwillig in einen der tiefen Gräben rechts und links, aber insgesamt bremsen die ständigen Überholmanöver doch ganz schön. Unschön ist auch das Loch im Bauch, dass sich bei mir langsam bemerkbar macht, gestern nur zwei Brötchen, heute kaum Frühstück und zwei Riegel, höchste Zeit, dass eine Verpflegung kommt. Bei Kilometer 105 ist endlich so weit, doch außer trockenen Waffeln und Bananen gibt es nichts. Also noch einen Riegel, Flaschen auffüllen und weiter – direkt in den einsetzenden Regen. Tropfen, Niesel, Katzen und Hunde, echtes Klassikerwetter, in Minuten sind wir klitschnass, die Pflasterabschnitte haben sich in rutschige Matschpisten verwandelt. Ich entdecke ein Straßenschild Richtung Roubaix, eine Abkürzung wäre jetzt echt wieder eine ernsthafte Option, aber die Jungs lassen sich nicht erweichen, alleine will ich nicht fahren, weiter. Max und Sebastian lassen sich auch auf den Pavés nicht bremsen, ich nehme deutlich raus und lasse es ab sofort wieder etwas gemütlicher angehen. Keine unschlaue Entscheidung, rechts und links schlittern und purzeln komplett überforderte Radler über die radsporthistorisch so bedeutenden Steine. Es folgen Templeuve, Boughelles à Wannehain, Champin-en-Pévèle, dann der letzte 5-Sterne-Abschnitt: Carrefour de L’Arbre, die letzte große Herausforderung auf dem Weg nach Roubaix. 2,1 Kilometer, kaum ein Stein gleicht dem anderen – wenn überhaupt einer da ist. immer wieder zieren tiefe Löcher die grobe Piste, dazu haben sich Treckerspuren tief eingegraben. Trotzdem im Vergleich zum Trouàe d’Arenberg fast so was wie ein Kindergeburtstag. Denke ich und schon fällt mir zur Strafe auch hier die Kette runter. Ist aber auch nichts mehr, was uns aufhalten kann, in Nullkommanix erreichen wir Roubaix und rein ins Vélodrome. Geiiiiiillllllllllll. Und in Sekunden verwandelt sich selbst die dunkelste Hölle in den schönsten Himmel. Nur ohne Glocke.

Rapha Cycling Club joined by Guilty 76 Racing an Pavé fünf - nur ein paar Stunden nach einer fast durchzechten Nacht. Zig Guiltys, die Rapha-Crew und eine bunte Truppe aus Zuschauern aus allen möglichen Ländern stieren auf den Großbildschirm am Raphabus. Ehren-Guilty John „Dege“ Degenkolb biegt auf Position drei ins Vélodrome ein, geht aus dem Sattel, sprintet, Stybar und Avermaet verzweifeln, haben keine Chance, endlich die Linie, Dege geht drüber, Arme oben, holt sich den Sieg. Wir brüllen unsere Freude raus, feiern, jubeln. Die Hölle des Nordens hat sich noch mal verwandelt – jetzt ist sie das Paradies.


Mittwoch, 27. August 2014

Alpenbrevet 2014: Große Berge, große Leistung.

Muh-uh, vielstimmig – am frühen Morgen in große braune Augen zu blicken, kann bestimmt aufregend und schön sein. Ist man bei einem Rennradrennen und die Augen gehören einer Schweizer Milchkuh, ist es das definitiv nicht. Jedenfalls dann nicht, wenn die Kuh mitsamt Anhang und Großfamilie plötzlich mitten auf der Strecke steht, während die schnelle Gruppe in der nächsten Kehre der Abfahrt verschwindet. Nur eine Sekunde vorher war die Lücke noch da, jetzt ist die Straße dicht. Was die Kühe denken weiß ich nicht, ich denke: Scheiße. Riechen kann ich sie übrigens auch, denn leider haben die Viecher heute Morgen wohl auf die Morgentoilette verzichtet. Aber ganz so frisch wie beim Start des diesjährigen Alpenbrevets in Meiringen dufte ich sicher auch nicht mehr. Hinter mir liegen schon Grimselpass und Nufenen, das Tempo war zügig und trotz der ziemlich herbstlichen Temperaturen tropfen mir schon kurz nach dem Start die ersten Schweißperlen von der Stirn. Was auch an meinem Mitfahrer Thomas liegt, denn auch er ist nicht gewillt, nur eine Sekunde zu verschenken und gegenseitig treiben wir uns immer wieder an. Aber obwohl wir beide Passhöhen ganz weit vorne erreichen – richtig zufrieden bin ich nicht. Die Anstiege machen mich wahnsinnig. Mal flach, mal steil, ich finde einfach keinen vernünftigen Rhythmus. Dazu bewege ich mich schon am Nufenen hauptsächlich im Grundlagenbereich, denn härteres Treten quittiert mein Knie mit ersten Schmerzen - immer noch die Nachwirkungen des harten Sturzes bei der Bike 4 Peaks. Laut denke ich darüber nach, die Platinrunde sausen zu lassen und auf Gold abzubiegen. Thomas will auf alle Fälle durchziehen und versucht mich zum Durchfahren zu motivieren, doch mit den Schmerzen wächst auch meine Unsicherheit. Platin hieße: weitere drei Pässe, mehr als 200 Kilometer. Ich bin hin- und hergerissen, vermeide eine definitive Entscheidung, bis Airolo zur Streckenteilung ist es nicht mehr weit und dann muss sie sowieso fallen. Thomas allerdings ist sich meiner Entscheidung sicherer als ich – und zieht jetzt mit der Gruppe auf und davon. Als auch ich mich endlich durch die Rindviecher gewühlt habe, ist der Abstand zu groß – trotz High-Speed und Trittfrequenz 130 habe ich alleine keine Chance, sie einzuholen. Auch der kurze Stopp, um zwei weitere Fahrer mit dem Ziel aufschließen zu lassen, den Abstand mit gemeinsamer Arbeit doch noch zu verkürzen, entpuppt sich als Rohrkrepierer. Die beiden machen nix, hängen nur hinter mir und lassen mich schuften. Super. Dann Airolo, an der Verpflegung gähnende Leere, die Gruppe ist durch, Thomas ist dabei geblieben, ich bin alleine. Goldrunde? Oder doch Platin? Links ab zum Gotthardt oder rechts weiter ins Tessin. Vernünftig oder bescheuert? Dreimal umkurve ich den Kreisel, dann entscheide ich mich und biege ab. Nach rechts. Platin. Bescheuert. Wie immer. Aber das Wetter ist prima, ich liege gut in der Zeit und glaube fest daran, die Knieschmerzen im Zaum halten zu können. Sicherheitshalber nehme ich weiter Tempo raus und hoffe, auf dem weiten Weg zum Lukmanier irgendwann von einer gut rollenden Gruppe eingeholt zu werden. Leider ein klarer Fall von Denkste. Obwohl ich es echt gemütlich angehen lasse, kommt von hinten niemand. Alleine rolle ich durch Faido, durch Giornico und Biasca. Ewig geht es mehr oder weniger bergab, ich beginne mich zu langweilen und freue mich, dass jetzt endlich der nächste Pass ansteht. Auf zum Lukmanier! Doch die Freude verwandelt sich schnell in Ernüchterung. 40 Kilometer flach bergauf, kaum eine Kurve sorgt für Abwechslung, Hölle. Ich versuche mich abzulenken, genieße die Landschaft und die Sonne, dann – endlich – höre ich hinter mir das Schnaufen einiger Mitkonkurrenten. Zwei Norweger stampfen vorbei, ich hänge mich dran. Die Jungs allerdings sind schnell, Grundlage ist das nicht mehr. Jetzt schwitze ich richtig und auch die Knieschmerzen kommen mit voller Wucht zurück. Rausnehmen will ich dennoch nicht, keinen Bock wieder alleine unterwegs zu sein. Also bleibe ich dran, übernehme regelmäßig die Führung und ignoriere das Pochen unter der Kniescheibe so gut es geht. Noch 13 Kilometer bis zur Passhöhe, noch zehn, noch fünf. Dann ist Schluss. Ich muss rausnehmen und die beiden ziehen lassen. Im Schneckentempo kurble ich die restlichen Kilometer zum Pass, dann kann ich endlich die Beine hochnehmen. Erst mal Pause. Die Verpflegung bietet auch hier alles, was man braucht: Lebkuchen, Brühe, Gels, Riegel, Cola, Wasser, Iso – ich futtere mich einmal durchs komplette Angebot. Nach und nach trudeln weitere Fahrer ein und als sich eine größere Gruppe zur Weiterfahrt entschließt, hänge ich mich dran. Das Knie zickt immer noch, aber die Pause hat gut getan, die Schmerzen sind erträglich und jetzt kann ich es locker rollen lassen bis Disentis. Weitere Erholung also – wäre da nicht der verdammte Wind, der uns mittlerweile eiskalt entgegenbläst. Bergab bremst er uns aus, den Anstieg zum Oberalppass macht er extra zäh. Dazu meldet sich auch schon in Sedrun mein Knie wieder, heftiger als vorher. Ich muss die Gruppe wieder ziehen lassen und denke daran, auszusteigen. Besenwagen hat es schließlich genug, regelmäßig werde ich von vollbesetzten Bussen passiert – es gibt viele Fahrer, die sich offensichtlich schon hier übernommen haben. Andererseits – ich bin verdammt weit gefahren und im Prinzip muss ich nur noch drei Mal den Feldberg hoch, dass muss doch gehen irgendwie. Ich schalte noch einen Gang zurück. 170 Watt, gerade noch so GA1. Mittlerweile werde ich regelmäßig überholt, ist mir aber ausnahmsweise komplett egal. Es geht nur noch ums Ankommen. Nur dem Typen im Schweizer Meistertrikot würde ich am liebsten einen Stock zwischen die Speichen schieben – er überholt mich, kurz später parkt er am Auto seiner Betreuer, ich fahre vorbei und das Spielchen geht von vorne los. Der Typ nervt. So sehr, dass ich doch noch mal beschleunige, um mal länger als fünf Minuten Ruhe zu haben. Es gelingt, bis zur Passhöhe sehe ich ihn nicht mehr. Oben zieht es richtig, es ist ziemlich kalt, dennoch braucht mein Knie eine längere Pause. Ich verkrümele mich in eine windgeschützte Ecke und warte, bis das Dauerpochen langsam nachlässt. Abfahrt. Trotz heftigem Gegenwind bin ich ratzfatz in Andermatt, keine Kuhherde verstopft die Straße, dafür eine Horde japanischer Touristen, dann stehe ich auch schon an der Baustellenampel, die den Beginn der Neutralisation signalisiert. Blick nach links Richtung Sustenpass – dunkle Wolken türmen sich am Himmel, die Gipfel der Berge sind nicht zu sehen. Das sieht gar nicht mehr nach Sommer aus, gut, dass Beinlinge, Armlinge und die Regenjacke im Trikot stecken. Umziehen und weiter. Wir schlängeln uns an den langen Autokolonnen vorbei, erreichen Wassen und biegen links ab. Sustenpass. Das Ding kenne ich und habe es in schlechter Erinnerung. Ebenfalls ewig lang, flach ansteigend und weit einsehbar – nix für mich. Besser also schnell durch. Ich trete, was das Knie hergibt, passiere die Tvaellen-Gedächnis-Cola-Hütte, dann beginnen endlich die letzten Kehren rauf zur Passhöhe. Ich tauche in den Tunnel ein und sehe – nix. Nebel wabert durch die Röhre, trotz meiner Lupine Piko mit wirklich sehr vielen Lumen an Bord bleibt es duster. Dazu schüttet es jetzt richtig und eiskalt ist es außerdem. Schnelle Verpflegung, Auskühlen wäre tödlich, und ab in die letzte Abfahrt. Bei Null Sicht und dichtem Regen kein wirklicher Spaß, aber ich lasse die Bremse offen, wo immer es geht. Bloß schnell raus aus der Kälte – das Fiasko vom Grand Raid exakt vor einem Jahr ist mir noch in guter Erinnerung. Andere erleben es dafür gerade jetzt: überall neben der Straße kauern ausgekühlte Fahrer oder versuchen sich mit merkwürdigen Verrenkungen wieder aufzuwärmen, kein Spaß. Auch mir kriecht die Kälte in jede Ritze, aber ich kann fahren und mit jedem Meter, den ich dem Tal näher komme, wird es wärmer.Gadmen, schnell durchs Gadmertal, letzter kurzer Gegenanstieg, der Regen lässt nach, Meiringen, ab ins Ziel. Coole Stimmung hier, viel Jubel, auch Thomas ist da. Glückwünsche nach rechts und links, dann schnell zurück zum Campingplatz. Warme Dusche. Verdient – nach knapp 280 Kilo- und 7000 Höhenmetern.



Epilog: Auch Joachim und Rainer, die morgens gemeinsam mit uns auf die Strecke gegangen sind, haben sich ihren Traum verwirklicht. Joachim ebenfalls auf der Platinrunde, Rainer, mein Team-Partner vom 24-Stunden-Rennen in Offenburg auf der Goldstrecke.Was auch für mich die klügere Entscheidung gewesen wäre, denn auch nach mittlerweile drei Tagen Pause ist mein Knie noch geschwollen. Egal, Glückwunsch Jungs.


(Fotos von der offiziellen Website http://www.alpenbrevet.ch/)

Mittwoch, 18. Juni 2014

Hammerhart, hammergeil: Das 24 Stunden-Race Offenburg.

03.20 Uhr. Der Wecker klingelt. Ist aber vollkommen unnötig, ich bin längst wach. Um genau zu sein, seit 20 Stunden und 30 Minuten – dem Zeitpunkt, als mich mein Wecker tatsächlich noch unsanft vom Schlaf in den Wachzustand katapultierte. Jetzt schwinge ich meine Beine aber nicht aus einem bequemen Bett, sondern ich schäle mich aus einem viel zu dünnen Schlafsack, einer Jacke, noch einer Jacke und einer weiteren Jacke. Die Kälte packt mich sofort, ich fange an zu bibbern – kein Wunder, denn es ist arschkalt und die Müdigkeit tut ein Übriges. Um mich herum ist es still – leise Musik, weit entfernt brummt ein Stromgenerator und ab und an flitzt ein Glühwürmchen an mir vorbei und beleuchtet die Szenerie: mein Auto, das Auto von Rainer, meinem Teampartner, dazwischen Campingtisch, Liege und ein Chaos aus Tiefkühlboxen, Riegel- und Gelpackungen, Wasserflaschen, Stromkabeln und Lampenakkus. Ich bin als Teil eines Zweier-Teams beim 24-Stunden Rennen in Offenburg-Rammersweiher, Schnell mampfe ich noch ein Stück Reiskuchen, stöpsle meine Lampen an Helm und Lenker, schwinge mich aufs Rad und rolle zur Wechselzone. Jetzt bin ich selbst eins dieser Glühwürmchen, denn ich muss Rainer ablösen, der seit knapp zwei Stunden Runde um Runde im dunklen Wald dreht, um mir etwas Ruhe zu gönnen. Bloß nicht verspäten. Der Weg zum Wechsel ist kurz, aber es geht bergab und die Kälte dringt durch bis auf die Knochen. Kurz packt mich der Gedanke, wie toll es wäre, einfach zurück zu rollen und bis zum nächsten Morgen durchzupennen, dann siegt aber wieder das Durchhaltevermögen. Schnell noch zur offiziellen Renn-Verpflegung, einen warmen Tee reinschütten, dann heißt es Warten. Da kommt Rainer. Nein, doch nicht. Jetzt aber. Wieder nicht. Namen werden in die Nacht gerufen, die gleißend hellen Lampen der in die Wechselzone laufenden Teilnehmer blenden so stark, dass es schwierig ist, seinen Teampartner auszumachen. Da, endlich. Rainer. „Wie war’s“ „Gut“ „Geht’s noch?“ „Geht.“ Gesprochen wird nur das Nötigste. Der Transponder wechselt den Besitzer, Schulterklopfer und ab geht’s. Rein ins Festzelt, raus aus dem Festzelt, die steile Drecksrampe hoch. Zum wievielten Mal eigentlich schon? Keine Ahnung. Bei meinem ersten Turn am frühen Nachmittag war ich jedenfalls schneller. Deutlich. Jetzt presse ich und presse, aber der Reifen klebt scheinbar am Boden. Kurz flach, dann ab in den ersten Waldtrail. Im Licht der Helmlampe wirken die Wurzeln im Trail riesengroß, furchteinflößend. Zum Glück ist die Ideallinie längst im Kopf vorprogrammiert, wie in Trance pflüge ich durch die Kehren und zwischen den Bäumen durch. Dann flackern Discolichter grün, blau und rot durch den Wald, die Musik dazu ist seit Stunden verstummt. Nachtruhe. Nicht für mich und die anderen, die noch auf der Strecke sind. Wir kämpfen uns müde die nächste steile Rampe zur Weinflasche hoch. Wer kommt eigentlich auf die bescheuerte Idee, ein solch hässliches Wahrzeichen in die Landschaft zu zimmern? Immerhin dient es mir jetzt als ideale Markierung, um meine Rundenzeit berechnen zu können. Blick auf die Stoppuhr im Tacho. Zu langsam. Mit mehr Druck als zuvor geht es in die nächste Passage, muss Zeit gutmachen, um die Rundenzeit nicht zu sehr anwachsen zu lassen. Der Typ in meinem Windschatten, den ich kurz vorher aufgesammelt habe, verschwindet – nur sein Licht begleitet mich noch ein kurzes Stück. Wiegetritt, Asphalt geht in Schotter über, wieder bergauf. Wieder eine fiese Rampe, die mit jeder Runde fieser wird. Ich. Hasse. Sie. Abfahrt. Der Staub im Lichtkegel der Helmlampe verdichtet sich zu Nebel, macht die Sicht schwierig und ich bremse mehr als eigentlich nötig. Noch vor ein paar Stunden bin ich hier mit über 60 km/h runter geschossen, jetzt taste ich mit nur noch knapp 45 durch die Schotterkehren. Raus aus dem Wald. Wow. Hell steht der Mond über den Hügeln des Schwarzwalds, ganz hinten am Horizont kann man schon den nächsten Morgen erahnen. Schön. Eine kurze Euphoriewelle sorgt für einen noch kürzeren Push, schon schieße ich auf den nächsten engen Tunnel zwischen den Bäumen zu. Ein Flowtrail, der wirklich einer ist. Auch wenn hier die Wurzeln noch giftiger sind, als im ersten. Tückisch schnappen sie nach den Reifen, ich muss aufpassen, will keinen Sturz oder Platten riskieren. Konzentrieren soweit das möglich ist, auch wenn man schon über Kreuz guckt. Wie aus dem Nichts dann der Ausgang des Trails. Radweg. Vorbei an unserem Standplatz, Wiese, rein ins Festzelt, raus aus dem Festzelt. Rampe, Trail, Rampe, Rampe, Trail, Radweg, Wiese, Festzelt. Rein. Raus. Rampe, Trail, Rampe, Rampe, Trail, Radweg, Wiese. Reicht. Ab in die Wechselzone. Rainer wartet schon. Zuverlässig wie ein gut geöltes Uhrwerk. Perfekt. „Wie geht’s?“ „Gut“. „Wie viele Runden?“ „Drei.“ „OK“. „Nächster Wechsel in 65 Minuten?“ „Ja.“ Schulterklopfen. Abfahrt. Rainer auf die Strecke, ich zurück zum Standplatz. Bergauf. Mist. Am Standplatz habe ich diesmal kurze Abwechslung – Joachim ist da, der Dritte im Bunde. Er fährt solo, dafür sieht er noch erdammt fit aus und ist auch verdammt gut drauf. Wir quatschen kurz, dann verschwindet auch er wieder auf der Strecke. Schnell Akkus laden, essen, trinken, essen. Nasse Klamotten aus, frische, trockene an. Bloß nicht Auskühlen. Noch was essen, kurz ablegen auf der so verlockend bequemen Campingliege und die Beine entspannen. Zwanzig Minuten später klingelt wieder der Wecker. Ich schäle mich aus dem Schlafsack, schlüpfe in die Biketreter, stöpsle die Lampen an und schon stehe ich wieder in der Wechselzone. Zeit für die nächsten Runden ... nur noch knapp sechs Stunden bis zum Zielschluss ...





Fazit: Das Erlebnis 24-Stunden-Rennen war der Hammer. Einmalig zu erleben, wie die Sonne untergeht, wieder aufgeht, großartig das gemeinsame Abenteuer als Team – erst Recht, wenn man so perfekt harmoniert, wie wir das getan haben. Joachim ausdrücklich eingeschlossen – auch wenn wir uns während der 24 Stunden viel zu wenig gesehen haben. Die größte Leistung: eindeutig Rainer, der keine Sekunde gezögert hat, als ich wegen meiner 4 Peaks Knieverletzung eine längere Pause brauchte und er quasi ohne Erholung in die nächsten Runden gehen musste, damit wir umsetzen konnten, was wir uns vorgenommen hatten: einer von uns ist immer auf der Strecke. Danke auch dafür. Ob ich es wieder tun würde? Unbedingt – aber nicht mehr unter diesen Voraussetzungen. Ohne Betreuung hatten wir kaum bis keine Erholung. Essen machen, Klamotten wechseln, Akkus laden, Bike in renntauglichem Zustand halten ... mehr als ein paar Minuten Ruhe gab es nur bei den langen Nachtturns über vier Runden. Eindeutig zu wenig. Sonst war alles perfekt. Keine Defekte, die Wechsel haben funktioniert, keiner hat sich verletzt und auch die Strecke und die Organisation waren super. Dazu mit Platz sieben bei den Zweier-Teams und vor allem 55 gefahrenen Runden mit über 400 Kilometern und 10.000 Höhenmetern auch noch ein echt gutes und beeindruckendes Ergebnis. Insgesamt also: Schreit leider nach Wiederholung. Auch wenn es weh tat ...





Sonntag, 8. Juni 2014

Bike 4 Peaks: Von Neukirchen am Großvenediger nach Kaprun.,

Die Zusammenfassung der letzten Etappe der Bike 4 Peaks mit einem Tag Verspätung. Gestern einfach keine Lust mehr gehabt, mich an den Rechner zu setzen - lieber schnell auf die Restaurant-Terrasse und dann noch schneller ins Bett. War nämlich noch mal richtig knackig gestern mit zwei ordentlichen Auffahrten. Die erste kam nach sieben Kilometern neutralisierter Anfahrt und da ich meinen Platz im ersten Drittel in einem Feld mit über 900 Fahren nicht mit Zähnen und Klauen verteidigen wollte, kam ich leider recht weit hinten in den Berg und durfte mich erst mal im Schritt-Tempo an ziemlich vielen ziemlich Langsamen Mitbikern vorbei tasten. Doof. Werde nie verstehen, warum bei neutralisierten Starts die hinteren Blöcke nicht einfach hinten bleiben können - am ersten Berg kacken sie doch eh wieder ab … von den unnötigen Stürzen, die sie durch das nach vorne fahren produzieren ganz zu schweigen. Der Rest ist eine Geschichte der vergebenen Chancen. Denn trotz der Knieprobleme waren meine Beine gestern deutlich besser als die vieler Konkurrenten. Doch kaum hatte ich mich an ein paar direkte Konkurrenten heran gekämpft, waren sie auch schon wieder weg. Gruppe geteilt durch einen bösen Sturz, ich musste warten, bis die Opfer wieder auf den Beinen waren, sah teilweise gar nicht gut aus. Danach solo das Flachstück auf dem Tauernradweg gemeistert, trotz zahlreicher Animationen und dann auch Beschimpfungen wollte sonst keiner Tempo machen. Danke auch, wieder Zeit verloren. Dann Kaprun, Huhu Swantje, Flasche greifen und den Wiesenhang hochpressen. Dachte mein Knie macht endgültig schlapp, aber ich wollte auf keinen Fall absteigen. Denn ich machte wieder Plätze gut und ich wollte unbedingt unter den ersten 50 bleiben. Also weiter bis an die Schmerzgrenze drücken und darauf hoffen, dass die anderen früher schlapp machen. Bei 30°C musste ich darauf auch nicht lange warten, bis zum Gipfel machte ich bestimmt 30 Plätze gut. Dann ab in den letzten Trail dieser 4 Peaks und auch dieses mal war es ein echter Spaßtrail. Im Rennmodus allerdings auch nicht ganz einfach, denn er war schmal, sehr schnell und die Kehren eng. Nach knappen drei Kilometern war der Spaß vorbei, noch ein paar Asphaltmeter und dann endlich das Ziel. Kaprun. Zwei Cola, ein bisschen Small-Talk mit den Mitstreitern, Finisher-Trikot, noch ein Eis, einpacken und zurück nach Neukirchen. Das war's.

Fazit: Nach den letzten beiden Etappen habe ich meinen Frieden gemacht mit der Bike 4 Peaks. Die Trails auf der ersten und zweiten Etappe hätte es meiner Meinung nach nicht gebraucht - jedenfalls nicht unter diesen Bedingungen. Auch hätten für mich die Auffahrten deutlich länger und zahlreicher sein dürfen. Sei's drum. Die Orga und das ganze Drum herum waren perfekt - nur der Startort Leogang war nicht so prickelnd. Auch mit der Platzierung bin ich halbwegs zufrieden - um mich unter den ersten dreißig halten zu können, hätte vor allem auch das Knie halten müssen, denn im GA2-Modus kann man sich schlecht verteidigen. Aber ich habe auch bergab deutlich zu viel Zeit liegen lassen - ein paar Stunden MTB sind dann doch zu wenig, um im Rennmodus auf solchen Abfahrten zu bestehen. A propos Rennmodus: das Risiko, dass bei den Abfahrten genommen wird, steigt ständig. Mit 80 Sachen auf der Hauptstraße in den Ort zu brettern und darauf zu bauen, dass kein Auto dumm parkt, kein Anwohner doch aus der Einfahrt biegt - nicht mein Ding und ich denke hier sollten sich viele Rennteilnehmer etwas mehr zurücknehmen. Denn gekracht hat es häufig während dieser vier Etappen …

Freitag, 6. Juni 2014

Bike 4 Peaks: Von Kirchberg / Tirol nach Neukirchen am Großvenediger.

Die erste gute Nachricht: Ich bin wider Erwarten im Ziel der dritten Etappe. Dank der vielen Blessuren langsamer als normal aber immerhin. Die zweite gute Nachricht: das Auf die Zähne beißen hat sich gelohnt. Denn endlich gab es die versprochenen Spaßtrails. Weitestgehend naturbelassen, ohne großen künstliche Bauwerke - Mountainbiken eben. Als Natursport. Auf einfach perfekten alpinen Trails. Anspruchsvoll, teilweise auch richtig schwierig aber sicher von den meisten Mountainbikern zu bewältigen. Selbst ich kam heute komplett durch, ohne ein einziges mal unfreiwillig vom Bike zu steigen - auch wenn ich am Anfang echt die Hosen voll hatte nach den Erlebnissen gestern. Dazu gab es bei den Auffahrten Alpen-Kitsch pur. Schneebedeckte Tauerngipfel, darüber ein weißblauer Himmel, schön. Ganz ungetrübt war der Tag dennoch nicht, denn mein Knie ist ziemlich kaputt und mehr als lockeres Treten ist nicht drin. Ich werde also vermutlich auch morgen noch ein paar weitere Plätze verlieren … Dafür geht der Garmin aber wieder, deshalb gibt es auch wieder Strava-Daten.



Donnerstag, 5. Juni 2014

Bike 4 Peaks: Von Lofer nach Kirchberg / Tirol.

Zweite Etappe und zweiter Trail. Diesmal Fleckalm. Im Trockenen sicher spaßig, unter den Voraussetzungen heute Harakiri und deutlich härter als gestern. Total vermatscht, nass und so in weiten Teilen nur rutschend zu bewältigen. Grip bei zugesetzten Reifen gleich Null. Selbst der Hasendraht auf den Northshores hatte keine Wirkung mehr. Das Ergebnis: alle fünf Meter lag ein Biker in der Wiese oder im Wald. Mich hat es gleich vier mal erwischt - mein Kopf ist aber offensichtlich härter als Holz, denn bis auf eine Risswunde im Ohr scheine ich zumindest da keine bleibenden Schäden davon getragen zu haben. Ganz anders sieht das bei meinen Beinen aus; rechts ist das Knie geschwollen, links habe ich einen tiefen Cut vom Ausflug in einen Weidezaun. Dafür konnte aber der Trail nix, sondern der liebe Mitbiker, der während der Drückerpassage zum letzten Anstieg eine Welle fuhr und mich in die Wiese drückte. Prima. Aber zurück zu dem "Trailfeuerwerk" der Bike 4 Peaks. Denn ich frage mich, ob der Endurotrend auch beim Marathon unbedingt Einzug halten muss. Logisch, Trails will ich auch und auch die Fahrtechnik soll gefordert werden. Aber wenn mehr als die Hälfte der Normal-Biker eigentlich jeden Trail eines Marathons nur zu Fuß bewältigt und der Rettungsheli gleich mehrmals im Einsatz ist, darf schon mal die Sinnfrage gestellt werden … Zu allem Überfluss hat auch mein Garmin den Dienst verweigert, daher gibt es heute keine Tourdaten auf Strava. Dafür ein paar nette Versehrtenbilder aus dem Schlachtfeld ... Mal sehen, ob ich morgen früh am Start stehe, um mir die nächsten drei "Spaßtrails" unter diesen Umständen zu geben.

Mittwoch, 4. Juni 2014

Bike 4 Peaks: Von Leogang nach Lofer.

Erste Etappe der Bike 4 Peaks, erster Hammertrail. Direkt nach dem ersten langen Anstieg ging es in den Bikepark Leogang, Hangman 1 und 2 standen im Roadbook. In engen Serpentinen mit ziemlich mächtigen Anliegern und vielen kleinen Sprüngen ging es ziemlich rasant zurück nach Leogang - wider Erwarten kam ich trotz der wenigen Stunden auf dem Bike ganz brauchbar durch. Kurzer Stich rauf zum Sonnberg, Flasche und vor allem Motivation bei Swantje mitnehmen und dann treten, treten, treten: flache Überführungspassage Richtung Lofer. Scharf rechts, der dritte Berg, kurz darauf der letzte und brutal schnelle Abfahrt nach Lofer. Done.



Montag, 19. Mai 2014

Gelungenes Jubiläum: Der 10. Schinderhannes Bike Marathon.

Absagen, wenn ein guter, alter Bekannter Geburtstag feiert? Kommt nicht in Frage – selbst wenn die Form nur für die Kurzstrecke reicht. Die Konsequenz: 103 Minuten Pressatmung, dicke Beine und mit Platz sechs in der Altersklasse ein Ergebnis, über das ich mich auch heute noch prima ärgern kann. Erstens, weil ich selbst mal wieder zu blöd war, richtig zu pacen und so im Ziel wertvolle Körner übrig hatte, die ich prima in die Hatz aufs Podium hätte investieren können. Und zweitens, weil ich ausgerechnet an einer der ungünstigsten Stellen der Strecke ziemlich unsanft von einem anderen Teilnehmer ausgebremst wurde, der eine der elementarsten Regeln eines Marathon-Rennens nicht kannte. Deshalb noch mal hier und extra in Großbuchstaben: DER RUF „LINKS“, „RECHTS“ ODER „MITTE“ SIGNALISIERT, DASS DER RUFER GENAU DA ÜBERHOLEN WIRD: ES IST KEINE ANWEISUNG GENAU DAHIN ZU STEUERN. Aber gut, der Teilnehmer war auf der Funstrecke unterwegs und auch deshalb habe ich auch gar nicht geschimpft, nicht mal ein bisschen. Nur ganz leise geflucht habe ich vielleicht, nach innen, ich schwöre. Gekostet hat mich der gescheiterte Überholvorgang knappe 30 Sekunden – klingt wenig, ist aber viel, wenn man dadurch den Anschluss an die Gruppe mit einigen direkten Konkurrenten verpasst und auch mit Puls 180 und der Lenkstange zwischen den Zähnen nicht mehr hinkommt so ganz alleine im Wind ... Mit der Gruppe auch dahin: mein Plan bis zum letzten Anstieg schön im Windschatten zu bleiben, um dann zum Generalangriff zu blasen. Also Plan B: Treten bis der Arzt kommt und hoffen, dass die anderen früher oder später einbrechen würden. Einen Gefallen, den sie mir aber bis zum Schluss für mich komplett unverständlich nicht erweisen wollten. Nix zu machen also – Podium verpasst. Was ist sonst noch erwähnenswert? Außer meinen Unterstützern am Streckenrand natürlich? Zuerst die wieder mal unfassbar geile Strecke – dem Jubiläum mehr als angemessen. Flow-Trail folgte auf Flow-Trail, so viele Trailmeter, wie in Emmelshausen auf 38 Kilometern zusammenkommen, schaffen andere Marathons auf 100 Kilometern und in 10 Jahren nicht. Und natürlich auch die Organisation: Wie immer unaufgeregt und bis zum kleinsten Detail perfekt. Genug Gründe also, dem Schinderhannes Bike Marathon noch viele weitere Jubiläen zu wünschen – gerne auch wieder bei so ganz und gar untypischem Schinderhannes-Wetter wie gestern ...






Montag, 5. Mai 2014

Läuft: Saisonstart beim Riva del Garda Bike-Marathon.

Pffft“. Das Geräusch kenne ich: Luft, die aus einem Reifen zischt. Manchmal hat man Glück und es erwischt den Gegner. Diesmal aber erwischt es mich selbst. Mein Hinterrad ist mindestens so platt wie die abgedroschenen Altherren-Witzchen eines ehemaligen FDP-Spitzenpolitikers. Die Dichtmilch? Dichtet nicht, der Riss ist einfach zu groß. Also Schlauch rein. Doch erst mal muss der verdammte Reifen von der Felge. Ich breche mir fast die Finger, aber das Ding will nicht runter. Mit zwei Reifenhebern, brachialer Gewalt und der Hilfe eines Betreuers vom Team Cicli Pederzolli schaffe ich es schließlich – und stehe vor dem nächsten Problem: auch das verdammte Tubeless-Ventil ziert sich. Wir probieren es mit allen Tricks – keine Chance. Nach gut 20 Minuten geben wir auf, ich schultere das Bike und trabe los. Knappe drei Kilometer später erreiche ich die Verpflegung, finde eine Zange und das Ventil ist Geschichte. Neuen Schlauch rein. CO2-Kartusche aufdrehen und „Pffft“: Den Schlauch aus meiner Satteltasche entpuppt sich als unnötig mitgeschlepptes Zusatzgewicht. Das Ventil ist nicht komplett einvulkanisiert, fröhlich pfeift die Luft aus dem Loch. Zum Glück bin ich nicht allein – der nette Helfer von eben ist mittlerweile auch vor Ort und überlässt mir einen Schlauch. Reifen runter, Schlauch rein, Reifen drauf – die Luft hält. Allerdings: der Mantel ist ziemlich hin, mal sehen, wie lange das gut geht. Es geht gut bis kurz nach San Giovanni. Kaum biege ich aus dem letzten Trail-Anstieg auf die lange Downhill-Schotterpassage ein, hat auch Schlauch Nummer zwei sein Leben ausgehaucht. Laufen also. Langsam habe ich Übung und das Pedal haut mir nur noch bei jedem zweiten Schritt in die Wade, echt prima. Dann löst endlich Asphalt Schotter ab, ab sofort wird gerollt. Zwei Kehren rollen, dann kommt mir ein Tourenbiker-Pärchen entgegen. Sie bieten mir so freundlich ihre Hilfe an, dass ich sie nicht ablehnen kann. Der nächste Schlauch wird montiert – und der nächste Schlauch löst sich nur ein paar Meter später in Luft auf. Das Angebot des Mannes auch noch den Ersatzschlauch seiner Partnerin dem Bike-Gott zu opfern, schlage ich aus – ist eh sinnlos. Und was soll’s – rollen ist ja auch fahren. Irgendwie. Der schlaffe Mantel schlackert auf der Felge hin und her, aber solange ich nicht schneller werde als 10 bis 15 km/h geht es und die Gefahr, die teure Felge zu zerstören, hält sich in Grenzen. Das neue Ziel: der nächste Kontrollpunkt. Dort plane ich, mich in den nächstbesten Besenwagen zu verkrümmeln. Der Kontrollpunkt kommt, Besenwagen kommt aber sicher keiner. Sagt zumindest der dort abgestellte Helfer. Noch gut 15 Kilometer bis ins richtige Ziel. Abholen lassen? Nur: wohin soll ich Swantje dirigieren? Und wie lang dauert das? Fluchend rolle ich weiter. Der nächste Trail, ich laufe. Asphalt. Ich rolle. Varignano. Ab hier nur noch Asphalt. Nur noch rollen. Der letzte, wirklich leichte Gegenanstieg und ich überhole sogar ein paar der Teilnehmer, die eben noch mit 70km/h an mir vorbeigedonnert sind. Luschen. 40 Minuten später rolle ich in Riva ein –  im Renntempo und einer guten Gruppe schafft man das auch mal in guten zehn. Ganz kurz überlege ich, die Zeitnahme zu verweigern und vor der Matte abzubiegen, aber dann pfeife ich auf den verletzten Stolz und rolle auch noch die letzten Meter ins Ziel. Nicht als letzter und mit einer kombinierten Fahr- und Laufzeit, die immer noch locker für eine Platzierung im vorderen Mittelfeld gereicht hätte. Lehre daraus? Keine Schwalbe-Reifen mehr und das Lauftraining wieder aufnehmen natürlich ...



Mittwoch, 9. April 2014

Besuch bei einer ganz anderer Sportart: Der ARA Breisgau.

ARA Breisgau hört sich komisch an? Ok, hier der volle Name der Veranstaltung, bei der ich am Samstag kurzentschlossen an den Start ging: Audax Randonneurs Allemagne Region Breisgau. Gewaltiger Klang, aber dennoch kein Rennen, sondern eben -  eine Randonnee. Für mich eine Szene, die ich bisher nur aus der Ferne beobachtet habe - entsprechend gespannt breche ich morgens gegen 05.00 Uhr nach Freiburg auf. Am Startort wartet eine bunte Truppe. Fahrer wie ich, die den Event offensichtlich als willkommene Abwechslung zum sonstigen Training in Angriff nehmen, sind von den echten Randonneuren leicht zu unterscheiden. Denn während die einen wie Rennradfahrer aussehen, wirken die anderen wie Radtouristen: Dicke Lenkertaschen, Kartenhalter, volle Rucksäcke, Lampen, sogar Räder mit Ständen, Gepäckträgern und Schutzblechen sind zu entdecken. Teilweise ist soviel  Gepäck an Rad und Fahrer verstaut, das eine mittellange Transalp sich locker ausgehen würde. Aber egal, wir erledigen das Einschreiben, nehmen lustige Zettel mit noch lustigeren Aufgaben in Empfang und rollen als letzte los. Kaum sind wir aus Freíburg raus, nimmt unsere Dreiergruppe  - ich fahre mit zwei Freunden - Fahrt auf und rollt das Feld auf.  Am ersten Berg mache ich aus der Randonee ein Rennen und gebe noch ein bisschen mehr Gas - die Strafe folgt auf dem Fuß: Regen setzt ein. Am Gipfel finden wir wieder zusammen und rollen gemeinsam weiter durch den dichten Niesel. Mist, die Wettervorhersage sah etwas anders aus … Dann der erste Kontrollpunkt. Aber es liegt keine Zeitnahmematte auf dem Boden, sondern man muss Stoppen und Stempeln. Das dauert, denn die Stempelstelle befindet sich in einem vollen Getränkemarkt und der Mann mit dem Stempelkissen ist nicht mehr der Jüngste. Als ich wieder aufs Rad steige ist mir eiskalt - was sich in der Folge auch nicht mehr großartig ändern wird. Denn Kontrollstelle folgt auf Kontrollstelle - mal muss man etwas an einem Fahrkartenautomaten abstempeln, mal etwas einkaufen. Alleine würde ich einfach durchbrettern, aber meine beiden Mitfahrer brauchen die Beweise, um sich für die nächsten Randonnees qualifizieren zu können.  Und ich brauche meinen beiden Mitfahrer, denn erstens ist man zu dritt schneller und zweitens würden mir 210 Kilometer alleine selbst bei bestem Wetter nicht wirklich Spaß machen - erst Recht nicht im Dauerregen. So rasen wir von Stempelstelle zu Stempelstelle, werden dabei ab und  zu auch mal von anderen begleitet, aber keiner ist schnell genug, um mit uns wirklich eine schnelle Gruppe zu bilden. Ganz anders die dicken Regenwolken in unserem Rücken - spielend holen sie uns ein und schütten zum xten mal ihren Inhalt über uns aus. Knapp acht Stunden nach dem Start erreichen wir durchgefroren und klltschnass Freiburg. Ein letztes mal Abstempeln, Ciao Jo, Ciao Thomas, ab nach Hause, Frankfurt ruft …




PS: Die Aufzeichnung unterschlägt gute 1300 Höhenmeter, weil mein Edge den Dauerregen leider nicht überlebt hat. Hoffe, das Garmin sich kulant zeigt und für Ersatz sorgt ...

Montag, 14. Oktober 2013

Winterauftakt: der Wasgau Bike Marathon 2014.

In der tiefsten Pfalz kurz vor Lemberg: Mit einem laut vorgetragenen "Bling" meldet mein hypermoderner und mit allerlei Schnickschnack ausgerüsteter Biketransporter den Winter an. Außen-Temperatur bei unter 4°C, laut Bordelektronik besteht Glättegefahr. Die sehe ich auch, allerdings eher auf dem Bike, als akut auf der Straße. Die nämlich ist fast trocken, die Trails dagegen sind mit Sicherheit matschig und schmierig. Denn natürlich hatte der Regengott auch bei meinem Saisonabschluss kein Einsehen, bis zum späten Abend hat es über der Pfalz gekübelt wie aus Eimern. Gut, dass ich immer noch mit den abgefahrenen RaceKing unterwegs bin, die mich schon beim Grand Raid an den Rand der Verzweiflung trieben. Fünf Minuten später bin ich da, steige aus und sofort kriecht mir die Kälte durch die dünne Rennpelle, dazu wabert dichter Nebel über die Hügel. Gerade zu mystisch - wäre da nicht das nervige Bass-Gewummer, das dumpf übers Festivalgelände dröhnt. Meine beiden Kumpels verziehen sich schnell ins Innere der Halle - angeblich um die Toilette aufzusuchen, aber jede Wette: die wollen nur der üblen Mucke und dem bald dazu einsetzenden Geblubber des Event-Dampfplauders am Mikro entgehen. Ich dagegen bekomme die volle Dröhnung der üblichen Spaßbotschaften, die jeden Bike-Marathon beschallen. Dazu zittere ich im Takt, denn mittlerweile hat die feuchte Kälte auch die Extra-Jacke durchdrungen. Endlich kündigt der Moderator den Start an und schon geht es los. Gemütlich. Denn wie immer ist auch der zwanzigste Wasgau Bike Marathon eigentlich gar keiner. Keine Zeitnahme, kein Stress. Theoretisch zumindest stimmt das. Praktisch versuche ich gerade vergebens die Kurbel rumzuwuchten, Runterschalten geht nicht mehr. Schaltzug gerissen, Stress pur. Prima. Und Danke auch an die Mechaniker, die erst ein paar Tage zuvor das komplette Bike auf den Kopf gestellt haben. Jetzt brülle ich meinen Kumpels hinterher, denn ich habe natürlich an alles gedacht. Bis auf Werkzeug. Zum Glück sind die beiden Sicherheitsfanatiker, alles ist dabei und wahrscheinlich hätten sie unterwegs auch kurz ein Atomkraftwerk reparieren können - jedenfalls schaltet mein Bike schnell wieder und es kann weitergehen. Was kommt ist genial: viele tolle Trails, die üblichen bizarren Felsformationen und Verpflegungen, an denen man echt mal Pause machen kann. Es gibt Schoko-Kuchen, Sand-Kuchen, Wurst-Brötchen, Käse-Brötchen, Wurst-Käse-Brötchen, heiße Brühe ... spätestens an der zweiten Verpflegung habe ich die Startgebühr zweimal aufgegessen. Zusatzgewicht, gut für den Formaufbau. Den ich offensichlich dringend nötig habe, denn obwohl wir es sehr ruhig angehen, bin ich recht schnell recht platt. Kein Wunder, die Anstiege sind knackig und die Strecke lang. Außerdem haben die Organisatoren bei den Höhenmeterangaben ordentlich geflunkert - statt der angekündigten 2000 und ein paar Zerquetschten nähern wir uns langsam aber sicher der 2500er-Marke. Nach sechs und einer halben Stunde geht es dann endlich in den letzten Anstieg. Oben schnell ein Weißbier (Alkoholfrei natürlich) am Bio-Racer-Verpflegungsstand und dann rauschen wir ins Ziel. Es folgt das übliche Ende: Bratwurst, Cola, Bike einpacken und Heimweg. Mit im Gepäck: die Erinnerung an eine tolle Tour mit Freunden. Und ein dickes Finisher-Nappo. Fortsetzung? Hoffentlich im nächsten Jahr in kompletter Besetzung.



Donnerstag, 29. August 2013

Grand Raid 2013: Grand Desaster.

Steige ich jetzt in den verdammten Hubschrauber oder schaffe ich es doch noch irgendwie runter ins Ziel? Ich bin nicht der einzige, der sich die Frage stellt, um mich herum stehen knapp 100 andere Teilnehmer des Grand Raid 2013 und klappern mit den Zähnen. Immerhin: wir stehen nicht draußen im strömenden Regen, sondern im beheizten Sanitätszelt. Das Problem: es steht nicht irgendwo im lauschigen Tal. Es steht oben am Pas de Lona, 2787 Meter über NN. Ich stehe seit über einer Stunde hier oben, zwei Mal habe ich versucht abzufahren, zwei Mal musste ich aufgeben. Zu nass. Zu kalt. Vor allem zu kalt. Zum wiederholten Mal frage ich mich, was ich eigentlich hier mache. Ok, dumme Frage – ich fahre ein MTB-Rennen. Aber musste es ausgerechnet das sein? Eins mit über 5000 Höhenmetern auf 120 Kilometern? Nach einer Saison ohne echtes Training, vielen Verletzungen und Pausen? Total bescheuert. Die Quittung bekomme ich jetzt. Nach über 100 brutalen Kilometern auf der geilsten Strecke, die ich jemals gefahren bin. Startschuss morgens um 06.30 In Verbier bei perfektem Bikewetter. Angenehme Temperaturen, die Sonne blitzt schon zwischen den Wolken durch. Obwohl ich relativ verhalten starte, sind die ersten Höhenmeter aus dem Startort raus schnell absolviert. Was folgt ist Mountainbiken pur: harte Anstiege, knifflige Trails, grandiose Landschaft. Fast jeder Meter der Strecke ist fordernd, ausruhen kann man sich so gut wie nirgends. Super. Nicht ganz so super – die Reifenwahl. Schon bei den ersten Abfahrten merke ich, dass der schon reichlich angefahrene RaceKing hier deutlich überfordert ist. Mehr Grip wäre wünschenswert – besonders in den Schotterkehren und den teils mörderisch steilen Abfahrten über grasbewachsene Skihänge komme ich mehr als einmal böse ins Schlingern. Nach 58 Kilometern schlage ich in Heremence ein, kurve ums Eck, Swantje. Juhuu. Ich halte kurz, wechsle die Flasche, weiter. Von der angekündigten Kaltfront samt Gewitter und Starkregen ist noch nix zu sehen, es ist sauwarm, der Schweiß rinnt in Strömen. Es geht jetzt rauf zum Mandelon und so ganz langsam merke ich, dass meine Kräfte schwinden. Ich erreiche die Hochebene und es beginnt ein ewig langer Trail. Anspruchsvoll zu fahren, dauernd muss man vom Rad, laufen, aufspringen, abspringen, fahren, laufen. Abspringen, aufspringen ... Endlich geht der Trail in eine Schotterabfahrt über, ich kann mich etwas erholen. Aber mittlerweile weiß ich: mein Training war super. Für 60 Kilometer. Ich bin bei Evolene. Kilometer 80. Alles was jetzt kommt, wird für mich eine üble Schinderei. Erst recht, weil ich mittlerweile die dunklen Wolken, die langsam von Westen aufziehen nur zu deutlich sehen kann. Rasch weiter nach Eison. Im Höhenprofil easy, in Wahrheit wieder harte Trails, wurzeldurchsetzt, teilweise verblockt. Gut, dass es noch trocken ist, im Nassen mit meinen Reifen möchte ich hier nicht runtereiern. In Eison halte ich kurz, drücke mir kurz ein weiteres Gel rein und mache mich auf den weiten Weg nach L’a Vielle. Ums letzte Zeitlimit muss ich mir keine Sorgen machen, auch wenn ich längst am Ende meiner Kräfte bin. Puls? Kommt nur noch knapp über 140, Ok, genau genommen bin ich im Arsch. Aber jetzt aufgeben? Natürlich nicht. Weiter. Im Schritt-Tempo kämpfe ich mich die eigentlich einfach zu fahrende Schotterstrecke rauf, erste Donnerschläge hallen durchs Tal, dann zucken Blitze, es fängt an zu nieseln und wird merklich kühler. Dann geht es schnell: Aus Nieseln wird ein Weltuntergang. In Sekunden schüttet es wie aus Kübeln, aus kühl wird frostig. Regenjacke an und ich bin an der letzten Kontrollstelle. Hier stehen Biker unter allem, was nur ein bisschen Schutz verspricht, einer der Streckenposten macht uns Hoffnung, dass das Gewitter schnell abzieht und es trockener wird. Wird es nicht. Es wird nasser. Vernünftig wäre: aufgeben. Aber erstens: Swantje wartet in Grimentz. Zweitens: Ich habe noch nie aufgegeben und drittens habe ich mich nicht so lange gequält, um an den letzten Kilometern zu scheitern. Trotzig fahre ich durch die Zeitnahme und gehe in den legendären Anstieg zum Pas de Lona. Kurz kann ich trotz der Sturzbäche, die mir entgegenschießen fahren, dann kapituliert der RaceKing vor dem Schlamm und ich schiebe. Geht zuerst dank der Pause unten noch ganz flüssig, doch schnell kommt der Mann mit dem Hammer zurück. Ich krieche auf dem Zahnfleisch. Drei Meter Bike tragen. Stehenbleiben. Durchschnaufen. Bike drei Meter tragen. Fluchen. Stehenbleiben ... Meine Zähne klappern mittlerweile im Takt der auf mich niederprasselnden Regentropfen, wenn ich die Augen schließe sehe ich Sternchen. Irgendwann bin ich oben, torkle zur Verpflegung. Warme Brühe. Trinken. Noch eine. Zähne klappern. Es hört gar nicht mehr auf. Handschuhe aus, auswringen. Ich bekomme sie nicht mehr an, zittern zu stark. Dann doch, ich steige aufs Rad, rolle ein paar Meter, geht nicht. Friere. Da war doch eben ein Zelt? Zurück, ab ins Zelt. Drin sieht es so aus wie sich normalerweise Hollywood Kriegsdramen vorstellt: ausgemergelte, hohlwangige Gestalten, die sich gegenseitig warm rubbeln, eingehüllt in raue Wolldecken. Ich versuche mich aufzuwärmen so gut es geht, doch sobald ich einen Fuß nach draußen setze, ist es kälter als jemals zuvor. Mittlerweile ist über eine Stunde vergangen. Und zum letzten mal stellt sich mir die Frage: Steige ich jetzt in den verdammten Hubschrauber oder schaffe ich es doch noch irgendwie runter ins Ziel? Die Entscheidung fällt, als mir klar wird, dass ich mein Bike zurücklassen müsste, sollte ich hier aufgeben. Ich ziehe den Reißverschluss meiner Jacke zu, beiße die Zähne zusammen, schnappe mein Rad und rolle los. Wieder schaffe ich nur ein paar Meter, doch dieses Mal gibt es kein Zurück mehr. Laufe ich halt. Ich stolpere den Weg runter, bis ein bisschen Gefühl in die Finger zurückkehrt, springe wieder auf und lasse es rollen. Endlich die letzten Höhenmeter bergauf, ich gebe noch mal Vollgas, dennoch wird es mir nicht mehr richtig warm. Dann die finale Abfahrt. Ruppig geht es bergab, ich kann kaum den Lenker halten, bremsen fällt schwer, immer wieder halte ich kurz an, um die Finger zu wärmen. Endlich der Stausee, noch mal glitschige Felsen, Bachdurchfahrt, dann rolle ich endlich ins Zielzelt. Zitternd vor Kälte, total blau aber als Finisher. Yeah. Ich knutsche Swantje ab, ein Becher warme Brühe, dann ab unter die Dusche. Warm. Zum Glück.





Fazit: Hammer-Rennen, Hammer-Strecke. Ich werde sicher wiederkommen. Dann aber mit besserer Vorbereitung – oder auf einer der kürzeren Strecken.

Sonntag, 11. August 2013

Racetime: Der Bullau Bike-Marathon.

Nach Wochen der Rennpause, zwei schweren Stürzen und fast acht Wochen ohne echtes Training habe ich mich endlich mal wieder bei einem Marathon an den Start gestellt. Sehr kurz entschlossen und nach einer hammerschweren Trainingseinheit gestern ging es heute morgen in den Odenwald - zum Bullau Bike-Marathon. Bei bestem Wetter fiel pünktlich und zum Glück zu einer sehr Langschläfer-freundlichen Uhrzeit um 9.45 Uhr der Startschuss. Ich ging es sehr verhalten an - im Nachhinein auf der Strecke ein schwerer Fehler. Denn wer verhalten startet, verpasst die schnellen Gruppen, schon nach der Einführungsrunde hätte ich mir in den Popo beißen können dafür. Noch nicht mal drei Kilometer waren hier absolviert und ich fuhr schon alleine im Wind - hinter mir eine ganzer Tross Fahrer, von denen keiner in der Lage war, mal selbst in die Führung zu gehen. Die Lutscher wurde ich zwar nach und nach los - aber weiter nach vorne ging auch nix. Ich überholte zwar ständig, aber leider nur Fahrer der vorher gestarteten Mittelstrecke. Motivationstechnisch gar nicht gut und so ließ ich es in den zweiten Runde etwas schleifen, bis ich bei der dritten Durchfahrt des Start-Ziel-Bereichs die Info bekam, dass Platz 20 noch in Schlagdistanz liegt. Activator aufschrauben, reinschütten und noch mal aufs Gas drücken - kurz vor dem Ziel konnte ich tatsächlich noch ein paar Fahrer abfangen und  landete schließlich als siebter der Altersklasse im Ziel. Mit einem besseren Start wäre sogar das Podium drin gewesen - nicht so ganz schlecht nach den zurückliegenden Horrorwochen.  Der Optimus, beim Grand Raid doch bestehen zu können, ist damit wieder etwas gestiegen. Die nächsten zwei Wochen gilt es gut zu nutzen ...




Noch ein paar Worte zum Bullau Bike-Marathon: Nette und familiäre Veranstaltung. Die Strecke hat Spaß gemacht, obwohl auf der Langstrecke viele Teile mehrmals zu befahren waren. Es gab jede Menge flowiger Trails, die wie ein CC-Parcours in den Wald gebaut waren und noch mehr sehr schnell zu fahrende Schotterautobahnen. Zwei knackige Anstiege gab es zum Glück auch, so dass nicht nur die Bolzerfraktion mit den dicken Oberschenkeln zu ihrem Recht kam. Auch das Drumherum mit Anmeldung, Duschen und Verpflegung hat gepasst - die große Ausnahme: im Festzelt durfte geraucht werden. Mir trieb es schon beim kurzen Anstehen am Bratwurststand die Tränen in die Auge - geht gar nicht.

Dienstag, 25. Juni 2013

Das geht unter die Haut: der UltraBike Kirchzarten 2013.

Autsch. Hart schlage ich auf einem der wenigen wirklich steinigen Strecken-Abschnitte auf, rutsche ein paar Meter durch die Botanik und ehe ich mich sammeln kann, ist die Gruppe, in der ich mich eben noch befand hinter der nächsten Ecke verschwunden. Mit ihr die Frau, die mich gerade unsanft vom Rad geschossen hat, als sie die Kontrolle über ihr eigenes verlor. Zu ihrem Glück gab ihr mein Hinterrad Halt. Zu meinem Pech mir dann aber keinen mehr. Abflug, mein linkes Bein ist vom Unterschenkel bis zum Popo tief aufgeschürft, auch die Schulter ist lädiert. Frauen am Steuer? Nicht nur im Straßenverkehr vielleicht also nicht eine ganz so gute Idee. Chauvi-Arsch höre ich es aus der Alice Schwarzer-Ecke rumoren, doch Stop – ich kann das Ganze natürlich empirisch mit absolut unbestechlichen Daten belegen: Anzahl der Rennen, bei denen ich von Männern vom Rad geschossen wurde: 0 Anzahl der Rennen, bei der ich von Frauen vom Rad geschossen wurde: 1 Verhältnis Männer zu Frauen bei den Teilnehmern: 100 zu 1. Mindestens. Noch Fragen? Zurück zum Rennen. Also, Gruppe war weg, dafür war der Gegenwind plötzlich da. Logisch, ich hatte ja auch kein Hinterrad mehr, um mich zu verstecken. Schade, denn bis hierhin lief es für mich überraschend gut. Ein perfekter Start, ein starker erster Berg, an dem ich locker sehr weit vorne mitfahren konnte und eine perfekte Gruppe für die langen Drückerpassagen danach – super. Alleine im Wind wurde das Rennen jetzt aber sehr schnell merklich zäher und so langsam bekam ich auch die dank des Heuschnupfens mangelhafte Vorbereitung und vor allem auch die fehlende Rennhärte zu spüren. Den Anschluss nach vorne zu finden, konnte ich vergessen, also hieß es Warten. Und ich wartete lange. Nach einer gefühlten Ewigkeit dann endlich eine neue Gruppe mit der ich mitgehen konnte. Erholen. Hinten rein hängen. Abwarten. Klappt gut, die Kräfte kehren zurück. Schluck aus der Pulle, rein in die Verpflegung, Nachschub fassen. Die ganze Gruppe erwischt eine Flasche, ich rolle auf eins der kleinen Kinder zu, die die Verpflegung hier übernehmen und was macht der Lümmel: er zieht die Flasche weg, nimmt Reißaus und schaut mich aus sicherem Abstand mit großen Augen an. Ich bitte und bettele, keine Chance, erst seine Mutter oder Tante oder viel wahrscheinlicher – Betreuerin aus dem Heim für Schwererziehbare - kann ihn davon überzeugen, dass ich kein kinderfressender Waldschrat bin. Ich habe endlich meine Flasche, Gruppe habe ich keine mehr. Mit leisen Flüchen (vor Kinder auf keinen Fall Schimpfwörter, das haben mir diverse Mütter erklärt und ich will ja auch keine bleibenden seelischen Schäden hinterlassen) rausche ich von dannen. Und fast direkt rein in die Alpe de Fidlebrugg. Stimmung hier: wie immer geil. Die Zuschauer brüllen, toben, feuern an, was das Zeug hält. Alleine dieses kurze Erlebnis würde den Fortbestand des Rennens voll und ganz rechtfertigen, aber leider sind wohl nicht alle in der Gegend so MTB-freundlich gestimmt, wie die Zuschauer am Streckenrand. Ich genieße die Stimmung, und versuche mich für die letzten Kilometer noch ein letztes Mal zu pushen. Alleine, der Drops ist gelutscht, ich habe keine Körner mehr übrig. Habe ich schon erwähnt, wie beschissen ich die Kilometerangaben am Streckenrand finde? Ich rette mich über die letzten Hügel, lasse es in der Wiesenabfahrt noch mal so gut krachen wie es mir angesichts der vielen fahrtechnisch nicht so bewanderten Teilnehmer möglich ist und rolle als 34 der Altersklasse mit einer Zeit ins Ziel, die unter den gegebenen Umständen gerade noch so zufriedenstellend ist. Aber egal, Zeiten und Platzierungen sind das eine – viel wichtiger ist: Swantje begrüßen, eine Rotwurst vom Grill mampfen und die Stimmung im Ziel genießen. Danach quatschen mit guten Bekannten und Freunden, noch eine Bratwurst, ein kurzer Besuch bei den Sanitätern, um meine Wunden zu versorgen, dann ist es wie immer viel zu schnell vorbei: Abfahrt nach Hause. Hoffentlich bis zum nächsten Jahr.


Mittwoch, 5. Juni 2013

Horrortrip: vom SportScheck Bike Marathon zu den Bike 4 Peaks zum Gardasee.

Donnerstag, 30.05.2013, München. Regentropfen prasseln aufs Autodach. Die ersten seit unserer Abfahrt zum Tegernsee Bike Marathon bei Sonnenschein in Frankfurt. Aber überrascht sind wir nicht – die Prognosen fürs Wochenende sehen düster aus,  nur für den Sonntag, den Tag des Marathons besteht Aussicht auf leichte Besserung. Bis dahin aber droht der Wettermann aus dem Radio mit sintflutartigen Regenfällen,  sogar Unwetterwarnungen gehen raus.  Naja, wird schon nicht so schlimm werden. Es wird schlimmer. Nicht am Donnerstag und auch nicht am Freitag und am Samstag morgen schon gar nicht.  Es regnet zwar ununterbrochen, aber sintflutartig ist das noch nicht. Samstag morgen ist es sogar trocken, eine kurze Aufwärmrunde um den See und eine anschließende Biketour mit Swantje gehen sich aus. Schnell zum Festivalgelände, die Startunterlagen abholen. Regen setzt ein. Dicke Tropfen, doch wir schaffen es noch trocken ins Hotel. Dann geht die Welt unter. Der Regen fällt dichter und dichter, in kürzester Zeit fallen Unmengen Wasser vom Himmel.  Bei Abendessen hört das Unwetter kurz auf, dann setzt es umso stärker wieder ein.   Ein  Rennen bei dem Wetter? Nicht für mich – ich beschließe definitiv nicht zu starten, sollte sich der Starkregen nicht wenigstens in ein Nieseln verwandeln.  Und tatsächlich – er verwandelt sich. In eine  Sintflut. Die ganze Nacht donnern die Tropfen auf das Dach unseres Hotels und auch beim Aufstehen hat sich an der Lage nichts geändert. Dennoch überlege ich ganz kurz, doch in den Renndress zu steigen, der Blick auf die riesigen Pfützen draußen und den wie ein Vorhang fallenden Regen bekehrt mich schnell. Auf dem Weg zum Frühstück dann die Nachricht: Das Rennen ist abgesagt. Katastrophenalarm und Überflutungen rund um den Tegernsee machen den Start unmöglich.  Wir packen zusammen, checken aus, Aufbruch Richtung Ruhpolding, dem Startort der Bike Four Peaks. Und haben Mühe, den Ort zu verlassen. Die Uferstraße ist schon überflutet und gesperrt, Richtung Bad Wiessee ist noch eine Spur frei. Dazu eine nervige Dauerstimme aus dem Navi: „Aufgrund einer Verkehrsstörung wurde Ihre Route geändert.“ Einer? Die Nachrichten überschlagen sich, plötzlich die Meldung: auch die A8 ist dicht. Wir schlagen uns kreuz und quer durch Bayern, umkurven den Chiemsee,  zwei Stunden für fünf Kilometer, dann das gleiche wieder zurück: die Umleitung ist auch schon wieder zu.  Nach 9 Stunden erreichen wir Ruhpolding.  Durchschnittsgeschwindigkeit 17 km/h. Na Servus.  Wir beziehen unsere Pension, packen aber die Taschen gar nicht erst aus. Der Plan. Abwarten, wie das Wetter morgen ist –  wenn schlecht weiter zum Gardasee. Ins Trockene. Und Warme.



Der nächste Morgen: es regnet nicht mehr, es nieselt nur noch leicht. Aber es ist kalt und die Aussichten auf einen weiteren Tag im trüben Frühling lässt die Laune auf den Nullpunkt sinken. Trotzdem kann ich mich nicht sofort dazu aufraffen, abzureisen – die Bike Four Peaks waren einer meiner Saisonhöhepunkte, auf die Strecke habe ich mich den ganzen Winter über gefreut. Auch das Startgeld ist bezahlt, die Hotels sind gebucht. Wir überlegen hin- und her, dann fängt es wieder an zu regnen und die Entscheidung steht: Gardasee.  Ich rechne mittlerweile angesichts der Horrornachrichten aus ganz Bayern und Österreich auch nicht mehr damit, dass das Rennen wie geplant stattfinden kann –  überall Überflutungen, Bergrutsche, Feuerwehr, Polizei und Bergwacht im Dauereinsatz, in den höheren Lagen liegt Schnee.  Schweren Herzens packen wir mal wieder die Taschen ins Auto und brechen auf Richtung Süden.  Knapp vier Stunden später erreichen wir Torbole. 29°C, Sonne. Raus aus dem Chaos, rein in Urlaub.  Schnell schwingen wir uns auf die Bikes, radeln auf dem Sarcheradweg nach Arco, um eine Kleinigkeit zu essen.  Richtig happy bin ich nicht,  so schön es hier ist, so traurig und frustriert bin ich wegen meiner Entscheidung, das Rennen sausen zu lassen.  Als ich kurz später erfahre, dass es wider Erwarten tatsächlich stattfinden wird, bin ich am Boden zerstört. So sehr, dass wir sogar ernsthaft überlegen, wieder zurück zu fahren nach Ruhpolding.  Aber 700 Kilometer für ein paar Stunden Gardasee? Erst mal zurück ins Hotel und die Nachrichtenlage überprüfen. Die sehen immer noch bedrückend aus, das Chaos in Bayern wird eher größer als kleiner, auch die Wetteraussichten für den Alpenrand sind eher durchwachsen.  Weiter nachdenken. Immer noch reichlich geknickt, aber vom vielen Grübeln mittlerweile auch ziemlich weich in der Birne, sitze ich ein paar Stunden später im Al Porto, wir diskutieren hin und her, immer wieder und wieder und wieder.  Beim Espresso dann der endgültige Beschluss:  keine Four Peaks für mich, wir bleiben hier. Heute dann die erste Tour am Gardasee zum Corno della Paura.  28°C,  Sonne, wunderschön. Und auch wenn ich immer noch traurig bin, die Four Peaks gecancelt zu haben – ich bin mir sicher, es war die richtige Entscheidung.

Montag, 6. Mai 2013

Bergtraining Gardasee: Rocky Mountain Bike Marathon.

Die Ronda Grande des Rocky Mountain Bike Marathons - das war der Abschluss meines Trainingsblocks am Gardasee. Leider lief es nicht so wie gewünscht, statt der geplanten 120 Minuten im EB wurde es keine einzige. Deppert, denn statt nach Puls fuhr ich das erste mal nach VAM mit dem Ziel in den Anstiegen die Steigrate nicht unter 1000 hm/h fallen zu lassen. Natürlich im festen Glauben, dass ich damit auch ziemlich im EB liegen dürfte. Doch damit lag ich voll daneben, ich bewegte mich gerade so am oberen Rand des Grundlagenausdauerbereichs. Nach mittlerweile einigen Rennjahren auf dem Buckel sollte sowas eigentlich nicht mehr passieren ... Dennoch halte ich die Idee nach wie vor für gut, nach der Steigrate zu schielen, ist für mich motivierender, als nach Puls zu fahren. Beim nächsten mal werde ich es deshalb wieder probieren und mich dabei hoffentlich geschickter anstellen als gestern. Das Ergebnis hat immerhin gepasst, mit Platz 23 in der Altersklasse konnte ich mich weit vorne halten – ein gutes Zeichen für den Rest der Saison ...

Donnerstag, 18. Oktober 2012

Nur kein Stress: der Wasgau Bikemarathon

Ich hatte es ja versprochen und was versprochen ist wird auch nicht gebrochen – hier kommt alles zum Wochenende in der Pfalz. Eins vorweg: gekotzt wurde nicht beim Wasgau Bikemarathon. Obwohl es tatsächlich einen Streckenposten gab, der die Iso-Zufuhr per Bier sicherstellen wollte. Mit Umdrehungen, wie er uns in tiefstem Pfälzisch fröhlich verkündete. Leider hatten wir es eilig und mussten passen. Doch zurück auf Anfang. Anreise Freitag. Irgendwann gegen 11.00 Uhr trudle ich in Pirmasens ein. Es regnet, der Himmel ist so duster wie die Stadt. Überall leere Geschäfte, bröckelnder Putz. Dafür scheinen sie irgendwann in den 70igern mal das komplette Stadtbudget in Straßen investiert zu haben, die sinnlos im Kreis führen - das Hotel finde ich erst nachdem ich ungefähr 5 mal kreuz und quer durch die Stadt geleitet werde. Ich stolpere in die Lobby und werde von einem Pudel angekläfft. GDPF* denke ich sofort, da steht auch schon die Hotelchefin vor mir. "Haben Sie reserviert?" Natürlich sagt sie es nicht so, wie ich es schreibe, sondern so, wie man in der Pfalz eben spricht. Also antworte ich so wie jeder antworten würde, der nicht hinter den sieben Bergen aufgewachsen ist: "Hä?". Im zweiten Anlauf verstehen wir uns prächtig und ich bestätige, das vorgebucht ist. Auf einen Herrn Ikosa. Sie schaut tatsächlich im Gästebuch nach, ich weiß aber schon: es wird vergeblich sein. Weil kein normaler Mensch auf die Idee käme Hotelzimmer unter einem Foren-Pseudonym zu buchen. Andererseits – es ist Ikosa ... Doch schon kommt die Ansage: "Hammer net". Und jetzt? Prompt bekomme ich die komplette Gästeliste vorgelesen und erfahre: Hanka Kupfernagel, Jens Heppner und Mike Kluge sind auch hier. Datenschutz? Ole. Dann endlich noch ein Name, der mir bekannt vorkommt - nach heftigem Kopfanstrengen bin ich mir sicher: er ist es, das Zimmer ist mein. Tasche rein und zurück zum Auto - bevor die anderen anreisen, will ich noch eine schnelle Runde drehen. Start: in Rodalben. Wieder kurve ich durch Pirmasens, finde diesmal direkt den richtigen Weg, packe mein Bike aus, schalte das GPS ein, wähle den Felsenweg aus und radle los. Wow. Hammer-Trail durch eine Hammer-Gegend. Der Trail windet sich durch eine skurrile Felsenlandschaft, führt in Höhlen und über kleine Bäche. Leider dank des Regens etwas nass und rutschig, man muss aufpassen. Stellenweise ist der Trail eng, schon nach wenigen Metern macht mein Knie Bekanntschaft mit einem schönen Stein, der sich mir garstig in den Weg stellt. Autsch. Weiter. rauf und runter, immer flowig, kaum verblockte Stellen, ab und an mal ein paar Wurzeln. Yeah. Eine Stunde lang. Dann: Krrraaack. Abrupter Stoppie. Die Kette klemmt zwischen Kassette und Speichen. Ich ziehe und zerre, fluche. Vergebens. Dann ein Biker. Ein Eingeborener, der in einem seltsamen Singsang auf mich einredet. Offensichtlich eine weitere Variation der lokalen Mundart. In regelmäßigen Abständen nicke ich freundlich, ich versteh "Steckachse", nicke noch etwa 10 Minuten lang, dann ist es geschafft. "Dschüsch mischt ö" ? Blick auf den Tacho. Noch 22 Kilometer. Blick auf die Uhr. Das wird zu spät, ich muss abkürzen. GPS-Check und los, kurz später bin ich am Auto. Pirmasens, drei Extra-Runden, Hotel. JB ist schon da, Ikosa und Stopel sind im Anflug. Perfekt. 2 Stunden später: Restaurant, Abendessen, Quatschen. Dazu geben wir es uns mal so richtig: Drei alkoholfreie Weizenbier. Für jeden. Den angebotenen Verdauungsschnaps lehnen wir dankend ab - man muss es ja nicht gleich übertreiben.





Der nächste Morgen. Kein Regen. Aber kalt. Frühstück. Abfahrt nach Lemberg, dem Startort des Wasgau Bikemarathons. Bikes ausladen, Räder montieren, Warmfahren. Warmfahren? Quatsch. Ist ja gar kein richtiger Marathon. Ist ja nur eine ausgeschilderte Tour. Was tun bis zum Start? Warten wir halt auf Ikosa. Der hat natürlich seine Handschuhe vergessen, musste zurück. Tvaellen könnten wir auch langsam mal anrufen, der wollte uns doch treffen. Steht schon im Startbereich. Gut. Und nun? Spielen wir noch ein bisschen an der Schaltung von JBs Bike rum. Oh, Umwerfer kaputt. Sagt zumindest der Maschi(e)nenbauer in der Truppe. Ist er auch wirklich - ein Flügel des Leitbleches ist gebrochen. Aber kurz später geht der Wechsel vom mittleren aufs große Kettenblatt trotzdem wieder. Schwein gehabt. Dann taucht Ikosa wieder auf, gemeinsam rollen wir zum Start und beschließen zu warten, bis alle durch sind, um dann locker hinterher zu cruisen. Was tun bis alle durch sind? Pumpen wir doch noch mal den Reifen auf. Pfffffft. Ventileinsatz weg. Aber echt erstaunlich - so ein Nicolai sieht auch platt noch ganz gut aus. Jedenfalls besser als Ikosa, der auf allen Vieren nach dem Mini-Teilchen sucht. Umsonst. Peng. Startschuss. Wir sind gerade bei den Versuchen drei oder vier den Reifen mit Luft zu befüllen. Egal, wir wollten ja sowieso hinterher fahren. Versuch fünf und sechs - Pfffffft. Allerdings ist der Schuldige entlarvt: die blöde Pumpe lässt sich nicht vom Ventil schrauben, ohne den Einsatz mit raus zu drehen. Also ab zur Servicestation und siehe da: eine richtige Pumpe macht auch richtig viel Luft, es kann losgehen. Wo ist Tvaellen? Warmfahren. Streber. Was tun wir? Egal - bloß nix mehr anfassen. Fünf Minuten später sind wir komplett. Los. Nach ein paar hundert Metern geht es in den Wald, wir haben das Ende des Feldes erreicht. Nach weiteren hundert Metern: Streckenteilung. Alle fahren rechts, nur einer bleibt auf der Strecke. Tvaellen fährt geradeaus. Bis wir es bemerken, ist es zu spät. Aber wir sind uns sicher: Der wusste genau, was ihn mit uns erwarten würde und hat die Gelegenheit, uns abzuhängen eiskalt genutzt. Nur Stopel bleibt hartnäckig dabei: der hing am Hinterrad von Hanka und wollte es unbedingt halten. Abwegige Theorie, schließlich trug sie Bikedress und nicht Lack & Leder wie im Cyclepassion-Kalender. Außerdem haben die bestimmt mit Photoshop an den Bildern gefummelt - aber egal, lassen wir das. Zurück auf die Strecke. Die sich mehr und mehr als das Beste entpuppt, was ich je bei einer offiziellen Veranstaltung gefahren bin. Ein Flowtrail reiht sich an den nächsten, es gibt schnelle Abschnitte, technische Stücke und immer wieder auch tolle Landschaftseindrücke. Die Trails winden sich um rote Felsen, eng durch lichten Lärchenwald, dann verwurzelt zwischen Kastanien durch. Geil. Plötzlich ein Brüller. JB. Hörte sich jetzt nicht unbedingt nach Freudenschrei an. Besser mal anhalten. Nachschauen. Wo ist er denn? In den Wald abgebogen und abgestiegen. Unfreiwillig. "Verletzt?" "Nö." "Am Bike was dran?" "Alles ok.". "Gut." "Aber die Assos" "Was ist mit der Assos?" Er dreht sich um, und ich schaue den Arsch voll an. Also echt den Arsch und nicht den Arsch. Die Hose hat es zerrissen. Komplett. Lachanfall. Zum Glück nimmt es auch JB sportlich. Und auch zum Glück habe ich eine Baggy an und noch mehr zum Glück: wider Erwarten passt sie ihm. Nacktradeln fällt also aus. Weiter. Mit Tempo. Denn habe ich zwar bisher noch nichts von geschrieben aber: wir sind ganz hinten. Also letzter. War ich noch nie, wäre aber eigentlich gar nicht schlimm. Wenn nicht mittlerweile schon die Aufräumkommandos unterwegs wären, um die Streckenmarkierungen zu entfernen. Einmal sind wir dem vorzeitigen Aus schon knapp und nur dank der Nachsicht eines Streckenpostens entgangen. Mittlerweile wird es aber noch knapper, denn wir orientieren uns seit Kilometern nur noch an den Spuren der über 2000 Biker vor uns. Wir geben jetzt – was sein muss, muss sein - ordentlich Gas, holen den Besenwagen-Motoradfahrer ein, dann werden wir auch die rote Laterne los und können es wieder entspannter angehen lassen. Wir sind zurück im Rennen, das eigentlich keins ist. Es folgen: weitere Hammer-Trails, ein paar Treppen, ein Ausflug in die Heide, Felsen, wieder Felsen und noch mal Felsen, dann die letzte Verpflegungsstelle vor dem Ziel. Die mit dem echten Bier. Echtes Bier? Das würde uns bestimmt umbringen. Ab ins Ziel also. Kurze Versammlung aller Helden, Verabschiedung Stopel, Duschen im Hotel, Abendessen. Große Portionen. Viel Quatschen, noch ein Eis, Quatschen und schließlich noch ein Betthupferl-Bier. Ohne. Versteht sich.




*GDPF: nicht übersetz- oder erklärbar und nur für langjährige Leser des KTWR auf MTB-News verständlich